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“Wir waren dreimal pleite. Und dann gings ab.”

2012 hatte Fabian mit seinem Team eine Vision: eine VR-Brille, die Räume virtuell erlebbar macht. Innovativ, oder? Das dachten sie auch – bis niemand wusste, wofür man das Ding eigentlich braucht. Vier Jahre, ein Haufen Frustration und nur 20 verkaufte Brillen später stand das Start-up vor dem Aus. Was sie gerettet hat? Gespräche mit Handwerkern und der Mut, die ursprüngliche Idee über Bord zu werfen. Heute digitalisiert ihre Software Baustellen weltweit – von Australien bis Kasachstan – und spart Handwerksbetrieben Zeit, Nerven und Geld.


Interview Bild

Das Interview führte Mathias Eigl, Gründer des Ulmer Spickzettels und der ersten Social-Media-Agentur im Schwabenland ULM ME (www.ulm.me) und langjähriger Chefredakteur verschiedener Schülerzeitungen.



Das Interview zum Hören als Podcast:


Oder zum Lesen:

Mathias: Fabian, lass uns ehrlich sein: Die meisten Start-ups scheitern. Warum seid ihr noch da?

Fabian: Am Anfang sah es bei uns nicht anders aus. 2012 hatten wir die Idee mit einer VR-Brille, mit der man Räume virtuell erlebbar machen konnte. Klingt innovativ, oder? Aber niemand wusste so richtig, wofür man das nutzen sollte. Wir hatten also eine Lösung – aber kein Problem.

Mathias: Und wann habt ihr das Problem gefunden?

Fabian: Das kam durch Gespräche mit Handwerkern. Die fanden die Brille spannend, sagten aber: ‚Nett, aber wie hilft uns das auf der Baustelle?‘ So kamen wir drauf: Warum nicht Baustellen digitalisieren? Mit unserer Software und den Kameras können Räume in wenigen Minuten zentimetergenau erfasst werden. Daraus entsteht ein virtueller Zwilling des Raums – jedes Detail ist sichtbar, von Leitungen bis Wandmaßen.

Mathias: Das klingt nach einer genialen Idee. Hat die Brille dann funktioniert?

Fabian: Nein, überhaupt nicht. Bis 2016 hatten wir gerade mal 20 Brillen verkauft. Wir waren auf Messen, haben gepitcht, aber das Produkt war einfach ein ‚Nice-to-have‘. Kein Kunde war bereit, dafür richtig Geld auszugeben. Das war unser Tiefpunkt.

Mathias: Was genau ist 2016 passiert?

Fabian: Bei einem Pitch in Stuttgart kam ein Mitarbeiter einer Startup-Agentur zu mir und sagte: ‚Ich bewundere eure Hartnäckigkeit.‘ Das hat mich wirklich getroffen. Wir waren vier Jahre dabei, hatten kein Geld mehr und galten als ‚altes‘ Start-up. Das war ein bitterer Moment.

Mathias: Und trotzdem habt ihr durchgehalten. Warum?

Fabian: Weil wir uns endlich auf die richtigen Probleme konzentriert haben. Die Brille war eine Sackgasse. Wir haben unseren Fokus komplett auf die Software gelegt, mit der Räume erfasst und digitalisiert werden können. Das war die Rettung.

Mathias: Wie funktioniert die Software konkret?

Fabian: Ganz einfach: Mit einer Kamera wird die Baustelle erfasst – das dauert nur wenige Minuten. Die Software erstellt daraus einen digitalen Zwilling des Raums, der zentimetergenau ist. Handwerker und Chefs können diesen virtuellen Raum nutzen, um alles aus der Ferne zu planen und zu kontrollieren. Kein Hin- und Herfahren mehr, keine Misskommunikation. Das spart Zeit und Geld.

Mathias: Was bedeutet das für Handwerksbetriebe in Zahlen?

Fabian: Unsere Kunden berichten, dass sie bis zu 50 % weniger Zeit für Fahrten, Abstimmungen und Kontrolltermine aufwenden müssen. Das ist eine enorme Entlastung – vor allem bei Kleinbaustellen wie Bad- oder Heizungssanierungen, die oft chaotisch laufen.

Mathias: Wie viele Kunden habt ihr mittlerweile?

Fabian: Über 600. Und wir wachsen weiter. Unsere Technologie wird in Australien, Kanada und sogar Kasachstan eingesetzt. Die größte Supermarktkette Kasachstans nutzt unsere Software, um ihre Filialen effizient zu verwalten.

Mathias: Heute klingt das nach einer Erfolgsgeschichte. Wie viele Mitarbeiter seid ihr?

Fabian: Wir sind knapp über 20 Leute, inklusive Studierenden und Auszubildenden. Es hat lange gedauert, aber wir stehen jetzt stabil da.

Mathias: Was würdest du deinem jüngeren Ich raten?

Fabian: Schneller reagieren, wenn etwas nicht funktioniert. Und keine Angst vor Veränderungen haben. Erfolg bedeutet, die ursprüngliche Idee immer wieder anzupassen. Die Brille war eine Sackgasse – aber daraus ist unsere heutige Software entstanden.

Mathias: Was macht dich an eurer Reise am meisten stolz?

Fabian: Dass wir in Ulm angefangen haben und jetzt weltweit erfolgreich sind. Unsere Software spart Handwerkern Zeit und Geld – und zeigt, dass Innovation nicht nur aus Silicon Valley kommen muss.

Mathias: Also eine Erfolgsgeschichte aus Ulm für die Welt?

Fabian: Genau. Wir sind der Beweis, dass man mit einer guten Idee, Durchhaltevermögen und der Bereitschaft zur Veränderung Großes schaffen kann – egal, wo man startet.

Mathias: Danke für das Gespräch, Fabian.

Fabian: Danke dir, Mathias.

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