Lena Schwelling will Dinge bewegen. Ob im Gemeinderat, in Schulen oder auf Ulms Baustellen – die Grünen-Politikerin hat eine klare Meinung und keine Angst davor, sie zu sagen. Sie hält das deutsche Schulsystem für ein Relikt aus der Kreidezeit, fordert mehr Grün und weniger Autos in der Innenstadt und stellt die entscheidende Frage: Warum wird Bildung noch immer kleingeredet, während Beton wächst?
Das Interview führte Mathias Eigl, Gründer des Ulmer Spickzettels und der ersten Social-Media-Agentur im Schwabenland ULM ME (www.ulm.me) und langjähriger Chefredakteur verschiedener Schülerzeitungen.
Mathias Eigl: Lena, dein politisches Engagement begann schon früh. Hast du schon immer das Gefühl gehabt, dass du Verantwortung übernehmen willst?
Lena Schwelling: Ja, das hatte ich tatsächlich. Bereits in der Schule war ich Klassensprecherin. Ich wollte schon immer Dinge verändern und gestalten, und das hat sich bis heute nicht geändert.
Mathias Eigl: Du hast auf der Waldorfschule deinen Abschluss gemacht. Was hast du dort gelernt, das dir heute noch hilft?
Lena Schwelling: Sehr viel. Die Waldorfschule hat einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur das Lernen, sondern auch Kreativität und Handwerk betont. Dort habe ich gelernt, frei zu sprechen, mich in komplexe Themen einzuarbeiten und vor allem an Projekten dranzubleiben, auch wenn sie mal schwierig werden – das hat mir später in der Politik sehr geholfen.
Mathias Eigl: Du kritisierst aber das deutsche Schulsystem. Was läuft aus deiner Sicht schief?
Lena Schwelling: Das Schulsystem ist leider oft viel zu starr. Es fehlt an Praxisbezug, an kreativen Ansätzen und an der Fähigkeit, junge Menschen auf eine sich schnell verändernde Welt vorzubereiten. Wir lehren Fakten auswendig, aber kaum kritisches Denken oder die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Das ist ein großes Problem, gerade in einer Stadt wie Ulm, die so viel Innovationskraft hat.
Mathias Eigl: Was müsste sich konkret ändern?
Lena Schwelling: Wir brauchen mehr Freiräume für Lehrerinnen und Lehrer, um individuelle Stärken zu fördern. Außerdem müsste die Digitalisierung endlich ernst genommen werden. Es kann nicht sein, dass Kinder in der Schule noch mit veralteten Methoden arbeiten, während die Welt um sie herum digital ist. Und wir brauchen dringend ein Schulsystem, das soziale Ungleichheiten ausgleicht, statt sie zu verstärken.
Mathias Eigl: Ulm gilt als Vorzeigestadt in vielen Bereichen. Wie steht es hier um die Schulen?
Lena Schwelling: Ulm macht vieles besser als andere Städte, aber auch hier fehlt es oft an moderner Infrastruktur und einer klaren Strategie für die Zukunft. Es gibt tolle Ansätze, aber die brauchen Zeit – und oft auch mehr Geld, als zur Verfügung steht.
Mathias Eigl: Lass uns über die Stadtentwicklung sprechen. Ulm ist voller Baustellen – vom Kornhausplatz bis zur Theater-Sanierung. Läuft hier alles in die richtige Richtung?
Lena Schwelling: Ulm wächst, und das ist eine großartige Chance. Aber bei einigen Projekten frage ich mich, ob die Prioritäten richtig gesetzt sind. Zum Beispiel das neue Parkhaus am Kornhausplatz: In einer Zeit, in der wir über die Verkehrswende sprechen, ein weiteres Parkhaus mitten in der Stadt zu bauen, finde ich fragwürdig. Wir könnten diesen Raum besser nutzen – für Begegnungsorte, Grünflächen oder Kultur.
Mathias Eigl: Wie siehst du die Sanierung des Theaters?
Lena Schwelling: Die Sanierung ist absolut notwendig. Das Theater ist ein zentraler Bestandteil der Ulmer Kulturszene, und wir können uns keinen weiteren Verfall leisten. Aber auch hier ist wichtig: Die Kosten müssen transparent bleiben, und es muss klar sein, dass Kultur für alle zugänglich bleibt – und nicht zu einem Luxusgut wird.
Mathias Eigl: Welche Baustelle macht dir persönlich am meisten Sorgen?
Lena Schwelling: Die größte Baustelle ist für mich die Wohnungspolitik. Ulm wächst, aber bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper. Wir brauchen mehr sozialen Wohnungsbau und klare Regelungen, damit große Bauprojekte auch den Menschen zugutekommen, die sich keine teuren Mieten leisten können.
Mathias Eigl: Du hast einmal gesagt, Ivo Gönner sei ein wichtiger Mentor für dich gewesen. Was hast du von ihm gelernt?
Lena Schwelling: Ivo Gönner hat mir beigebracht, dass man langfristig denken und Entscheidungen treffen muss, die auch in zehn oder zwanzig Jahren noch Bestand haben. Und er hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, die Menschen mitzunehmen – gerade bei schwierigen Themen.
Mathias Eigl: Zum Abschluss: Was braucht Ulm am dringendsten, um zukunftsfähig zu bleiben?Lena Schwelling: Ulm braucht Mut. Mut, wirklich groß zu denken, Dinge auszuprobieren und sich auf die Menschen hier zu konzentrieren. Die Stadt hat so viel Potenzial, aber wir dürfen uns nicht in kleinen Schritten verlieren, sondern müssen gemeinsam die großen Fragen angehen – sei es beim Wohnraum, der Mobilität oder der Bildung.