
Mehr als Spätzle mit Soß
Nikolaus Federmann – Der Ulmer, der Bogotá mitgründete
Wie ein Kaufmannssohn aus Ulm im 16. Jahrhundert zum Konquistador wurde, die Anden überquerte und an der Gründung von Kolumbiens Hauptstadt beteiligt war – und warum heute kaum jemand seinen Namen kennt.
Ein Aufbruch ins Unbekannte
Ulm, um 1505. Zwischen Donauhandel und Handwerk wächst ein junger Mann heran, der das enge Weltbild der frühen Neuzeit bald hinter sich lassen wird. Nikolaus Federmann, Sohn eines Kaufmanns, strebt nach mehr als nur lokalen Geschäften. In einer Zeit, in der Europa beginnt, andere Kontinente zu „entdecken“, ahnt er, dass seine Zukunft nicht am Fuße des Münsters liegt, sondern jenseits des Atlantiks.
Die große Chance kommt mit den Welsern – einer mächtigen Augsburger Handelsfamilie. Sie erhalten von Kaiser Karl V. die Konzession über ein riesiges Gebiet im nördlichen Südamerika – eine Kolonie mit dem Namen „Klein-Venedig“. Als Vertreter der Welser bricht Federmann 1529 nach Venezuela auf.
Goldträume und Dschungelhöllen
Nach ersten administrativen Aufgaben beginnt Federmann, das Landesinnere zu erkunden. Seine Ziele: Reichtum, Macht – und das sagenumwobene El Dorado. Doch statt auf Gold stößt er auf Sümpfe, tropische Hitze, Krankheiten. Seine erste Expedition endet mit Rückschlägen.
Doch Federmann gibt nicht auf. 1536 zieht er erneut los – dieses Mal tief in den Süden. Mit einer kleinen Truppe, unterstützt von indigenen Führern, durchquert er die weiten Llanos, kämpft sich durch Flüsse und dichten Regenwald. Schließlich erreicht er die gewaltige Bergwand der östlichen Anden. Der Aufstieg ist hart – Schnee, Erschöpfung, Nahrungsmangel. Und doch: Federmann schafft es.
Oben, auf dem Hochplateau, trifft er auf eine Welt, die ihn staunen lässt – die Kultur der Muisca. Ihre Städte, ihre Gesellschaft, ihr Goldhandwerk beeindrucken ihn. Doch seine Ankunft bleibt nicht unbemerkt.
Drei Eroberer, eine Stadt
Fast zeitgleich erreichen zwei weitere Konquistadoren dieselbe Region: Gonzalo Jiménez de Quesada aus dem Norden und Sebastián de Belalcázar von Süden. Drei Männer, drei Machtansprüche – und ein potenzieller Konflikt.
Doch anstatt in ein blutiges Gefecht zu geraten, geschieht etwas Ungewöhnliches: Die drei Europäer einigen sich. Am 27. April 1539 gründen sie gemeinsam eine neue Stadt – Santa Fe de Bogotá. Nicht auf leerem Boden, denn hier existierte längst die indigene Siedlung Bacatá. Aber durch die symbolische Gründung wird ein kolonialer Machtanspruch zementiert. Federmann ist damit einer der Mitbegründer der heutigen Hauptstadt Kolumbiens.
Rückkehr ohne Ruhm
Zurück in Europa will Federmann seinen Anteil einfordern – Gold, Anerkennung, vielleicht ein Titel. Doch die Realität ist ernüchternd. Die Welser werfen ihm Vertragsbruch vor. Die Inquisition verdächtigt ihn der Ketzerei. Statt Ehren erwartet ihn ein Prozess. Statt Ruhm: Zelle. Er stirbt 1542 in Valladolid – vermutlich im Gefängnis.
Vergessene Spuren
Sein Reisebericht, posthum veröffentlicht, erzählt von Strapazen, Begegnungen, Kämpfen. Es ist eines der wenigen Zeugnisse eines deutschen Konquistadors in Südamerika. Und doch: In seiner Heimatstadt Ulm ist Nikolaus Federmann heute nahezu vergessen. Keine Straße trägt seinen Namen, kein Denkmal erinnert an ihn. In Bogotá hingegen schon – ein ganzer Stadtteil heißt Nicolás de Federmán.
Federmann war kein Held im romantischen Sinne. Er war Abenteurer, Teil eines kolonialen Systems, das ganze Kulturen zerstörte. Aber er war auch ein Kind seiner Zeit – getrieben von Neugier, Wagemut und einem unerschütterlichen Glauben an das Unbekannte.
Seine Geschichte zeigt, dass auch aus einer Stadt wie Ulm Weltgeschichte geschrieben wurde – irgendwo zwischen Donau und Dschungel, zwischen Fernweh und Fatalismus.