
Sucht entsteht durch Drogen. Durch Alkohol. Durch Nikotin. Oder?
Falsch.
Fast alles, was wir über Sucht zu wissen glauben, basiert auf einem Mythos. Jahrzehntelang dachten wir: Bestimmte Substanzen machen süchtig, weil sie das Gehirn chemisch kapern. Aber was, wenn es ganz anders ist?
Ein berühmtes Experiment: Eine Ratte sitzt allein in einem Käfig. Sie hat zwei Wasserflaschen zur Auswahl – eine mit purem Wasser, die andere mit Heroin- oder Kokainwasser. Fast jede Ratte bevorzugt die Droge. Bis sie daran stirbt.
Klingt eindeutig? Ist es nicht.
In den 70ern fragte der Psychologe Bruce Alexander: Was, wenn das Problem nicht die Droge ist – sondern der leere Käfig?
Er baute Rat Park: Ein Gehege mit Spielzeug, Tunneln, leckerem Futter – und anderen Ratten. Ergebnis: Kaum eine Ratte trank das Drogenwasser. Die Überdosisrate fiel von fast 100 % auf 0 %.
Die entscheidende Frage lautet nicht: „Was macht süchtig?“
Sondern: „Warum sucht jemand überhaupt einen Ausweg?“
Sucht entsteht dort, wo Menschen keine Verbindung finden – keine Nähe, keinen Halt, kein Gefühl, dazuzugehören. Wer isoliert ist, traumatisiert, überfordert oder innerlich leer, sucht nach einer Ersatzverbindung. Mit einer Substanz. Oder mit etwas anderem, das kurz betäubt.
Deshalb sagt man inzwischen:
Das Gegenteil von Sucht ist nicht Nüchternheit. Es ist Verbindung.
Sucht ist oft kein individuelles Versagen. Sondern eine Reaktion auf ein Umfeld, das keinen Raum für echte Verbindung lässt.
Wenn du das verstehst, siehst du Sucht mit anderen Augen – nicht als Schwäche, sondern als Symptom.
Und plötzlich ist nicht mehr die Droge das Problem. Sondern der Käfig.