Hermann Holbein: Der Mann, der Deutschlands ersten Kleinwagen baute
Hermann Holbein, geboren 1910 in Ulm, entwickelte nach dem Zweiten Weltkrieg in Herrlingen den „Champion“, den ersten in Serie gebauten Kleinwagen Deutschlands.
Der Anfang: Ein Mann und sein BMW
Holbein wuchs in einer Familie auf, die seit 1909 im Autogeschäft tätig war. Nach dem Krieg zog er mit seiner Frau nach Herrlingen bei Ulm, wo sie eine Automobilwerkstatt gründeten. Dort begann er, aus den Resten eines alten BMW einen Rennwagen zu bauen. 1946 gewann er damit das Eggbergrennen in Südbaden – der „Bluebird von Ulm“ war geboren.
Das Eggbergrennen, ein prestigeträchtiges Bergrennen in Südbaden, war nach dem Zweiten Weltkrieg eines der wichtigsten Motorsportereignisse in Deutschland. Bergrennen sind Wettbewerbe, bei denen Fahrzeuge eine kurvenreiche Bergstrecke in möglichst kurzer Zeit bewältigen müssen. Solche Rennen stellten besondere Herausforderungen an Fahrer und Technik, da sie sowohl Geschicklichkeit als auch leistungsfähige Fahrzeuge erforderten.
Für Holbein war der Sieg beim Eggbergrennen von enormer Bedeutung. In einer Zeit, in der Materialien knapp und wirtschaftliche Mittel begrenzt waren, zeigte sein selbstgebauter Rennwagen seine technischen Fähigkeiten und seinen Innovationsgeist. Der Sieg 1946 brachte ihm nicht nur Anerkennung und Respekt in der Motorsportszene, sondern eröffnete ihm auch neue Möglichkeiten. Der Erfolg bestätigte seine Fähigkeiten als Konstrukteur und war der erste Schritt auf dem Weg zur Entwicklung seines eigenen Kleinwagens.
Der Champion: Klein, aber oho
1949 baute Holbein in seiner Werkstatt in Herrlingen seinen ersten Prototyp des „Champion“. Der kleine, günstige Wagen zog schnell Aufmerksamkeit auf sich. Trotz Materialknappheit und Beschwerden der Nachbarn konnte er das Auto weiterentwickeln und auf Automobilausstellungen präsentieren. Firmen wie Bosch, Triumph und Porsche unterstützten ihn.
Der Umzug: Vom beschaulichen Herrlingen ins große Paderborn
Der Erfolg des Champion blieb nicht unbemerkt. Die Bielefelder Firma Benteler, unterstützt von Dr. Oetker, bot Holbein an, die Produktion nach Paderborn zu verlegen. Dr. August Oetker, Gründer des gleichnamigen Lebensmittelkonzerns, hatte Benteler finanziell unterstützt. Die Firma Dr. Oetker, bekannt für ihre Back- und Lebensmittelerzeugnisse, hatte sich über die Jahre hinweg diversifiziert und in verschiedene Geschäftsbereiche investiert.
Dr. Oetkers Einfluss ermöglichte es Benteler, die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen, um die Produktion des Champion auf eine größere industrielle Basis zu stellen. 1951 zog Holbein mit der Produktion nach Paderborn um. Diese Expansion führte jedoch auch zu Konflikten mit den neuen Inhabern, was schließlich zu Holbeins Ausscheiden aus dem Unternehmen führte.
Neue Wege: Von Paderborn nach Turin
Nach seinem Ausscheiden bei Benteler landete Holbein bei Fiat und half dort, den legendären Fiat 500 zu entwickeln. Für seine Arbeit erhielt er in Rom den Ehrendoktortitel. 1954 zog er sich aus der Automobilindustrie zurück und wechselte zum Rheinstahlkonzern.
Das Vermächtnis: Ein Auto, das Geschichte schrieb
Hermann Holbein starb im Alter von 78 Jahren in Ulm. Der Champion bleibt ein Symbol für deutschen Erfindergeist und den Willen, auch in schwierigen Zeiten Großes zu schaffen. Von den ursprünglichen 267 gebauten Fahrzeugen existiert heute nur noch eines im Automobilmuseum Engstingen. Die Geschichte dieses kleinen Autos und seines Schöpfers bleibt unvergessen.