Ditschi

Ein Gewirr aus gut gelaunt quietschenden Frauenstimmen schallt an diesem Tag über den ganzen Hans-und-Sophie-Scholl Platz. Dort steht nicht nur eine, sondern gleich zwei riesige, weiße Limousinen. Aus diesen steigt die lachende Gruppe aus. Der Fahrer lacht ebenfalls, ein sehr sympathischer Herr mit gewollten Dreitagebart. Er erklärt, dass sich es bei den Limousinen seines Arbeitgebers Limo.Ulm um Super Stretch Limousinen handele. Die herkömmlichen seien noch etwas kleiner. Diese aber hätten die maximal zugelassene Länge, welche vom TÜV genehmigt werde. Die Frauen merken dann, dass sie etwas vergessen haben: Unter lauten Jodeln und Gluckern ziehen sie eine Stoffgiraffe aus einer der Limousinen in höchster Teamarbeit heraus. Die darf bei diesem Junggesellinnenabschied nicht fehlen. Kleine phallusartige Trillerpfeifen hängen um ihre Hälser.

Passenderweise trägt jede Dame ein Namensschild, obwohl sie gar nicht wollen, dass man sie sofort erkennt. Einige von ihnen sind verbeamtet. Eine Frau in beiger Jacke ist ganz offen und animiert ihre Bekannte, für ein Foto zu posieren. Da holt die selbstbewusste Blondine noch einmal aus und packt die Giraffe am Hals „Stopp!“, ruft sie, „Gigi muss mit auf das Bild!“. Zum Ursprung des Namens Gigi gibt es mehrere Versionen. Als die Giraffe jedoch mit hervorblitzendem G-String aufgestellt wird, kann man sich eine davon denken. Die beiden Frauen werden gefragt, ob sie verheiratet seien und ob sie an die Liebe glaubten? Gigi wird bei der Fragestellung übergangen. Adrianna, so steht es auf dem Namensschild, zupft den Blumenkranz in ihrem braunen Haar zurecht und meint: „Ich bin mit meinem Daniel seit September 2018 verheiratet und ich bereue es nicht! Naja, bisher bereue ich es nicht!“ Die Frauen versprühen eine angenehme Lockerheit und doch benimmt sich keiner daneben. Die aufgeweckte Blondine stellt sich als Ditschi Knöll vor. Auf die Frage, ob sie auch verheiratet sei, sagt sie auf eine Art, bei der man merkt, dass sie es am liebsten in die Welt hinausschreien wollen würde: „Na klar bin ich das! Schau mal: Huhuuuh!“ Sie zeigt in die Richtung der fröhlichen Gruppe auf eine schöne Frau mit langem dunkelbraunem Haar und ruft stolz: „Das da hinten ist meine Frau!“. Etwas schüchtern winkt Ditschis Ehefrau zurück, aber auch sie scheint den Tag heute zu genießen. Wie lebt es sich eigentlich als lesbische Ehefrau in Ulm? Ist Diskriminierung immer noch ein Thema? „Ulm ist super!“, meint Ditschi fröhlich, „etwas nebelig, aber ansonsten: Wir hatten hier noch nie Probleme!“ Ditschi sagt dann, dass sie wirklich an das Konstrukt der Ehe glaube. Für sie gäbe es eben nur diesen einen Menschen, ihre Ehefrau, mit der sie seit Juni verheiratet sei. So wäre es für die Beiden auch endlich möglich, Kinder zu haben, doch das sei sicher nicht der alleinige Grund gewesen. Verliebt blickt Ditschi zu ihrer Ehefrau. Diese bemerkt es und winkt ihr lächelnd zu, während sie ihre Jacke etwas enger schnürt und Ditschi mit einer leichten Kopfbewegung zu verstehen gibt, dass die Truppe sich in Bewegung setzen will. Als sie weg sind, bleibt noch etwas zurück. Die Atmosphäre. Immer wieder bleiben Passanten stehen und betrachten die Limousinen ganz genau. Der edle Schnitt und dieses besondere Flair entgeht auch den Menschen nicht, die sich normalerweise nicht für Autos interessieren. Viele sehen schmachtend zu den Limousinen, nur die Verliebten bemerken sie kaum