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UNESCO Geopark Schwäbische Alb

Ulm liegt zwar nicht auf der Schwäbischen Alb, grenzt aber unmittelbar daran. Dass deren Fläche mit 6.200 m² fast deckungsgleich mit dem UNESCO Global Geopark ist, wissen viele nicht. Wenig bekannt ist zudem, dass der Schwäbische Jura, wie die Alb auch genannt wird, rund 20 Prozent der Gesamtfläche Baden-Württembergs ausmacht. Wir wollten’s genauer wissen und haben in der Schelklinger Geschäftsstelle bei Ute Mai nachgehakt, die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

Mathias (M): Ute, was ist eigentlich ein UNESCO Global Geopark?

Ute (U): UNESCO Global Geoparks sind Gebiete mit international bedeutendem geowissenschaftlichem Erbe. Nicht zu verwechseln mit Nationalparks, die sich primär auf den Naturschutz konzentrieren. Geoparks hingegen verbinden Geologie, Bildung und nachhaltige Regionalentwicklung. Es geht also darum, die Erdgeschichte erfahrbar zu machen, lokale Besonderheiten zu schützen und so für einen bewussten Umgang mit Ressourcen zu sensibilisieren. 

M: Wo befindet sich der Geopark Schwäbische Alb eigentlich genau?

U: Tatsächlich ist wenig bekannt, dass der UNESCO Geopark Schwäbische Alb mit 6.200 m² riesig ist. Zum Vergleich: Die Gesamtfläche der Schwäbischen Alb entspricht 6.800 m². Die Geopark-Geschäftsstelle hat ihren Sitz in Schelklingen und trägt die Verantwortung dafür, das UNESCO-Qualitätssiegel für das gesamte Landschaftsgebiet des Geoparks zu erhalten, zum Schutz dieses wertvollen Lebensraums beizutragen und für kommende Generationen zukunftsfähig zu gestalten. Übrigens muss diese Auszeichnung alle vier Jahre aufs Neue von der UNESCO-Kommission bestätigt werden. Das war zuletzt im Oktober der Fall.

M: Was macht den Geopark Schwäbische Alb einzigartig und wie unterscheidet er sich von anderen Schutzgebieten?

U: Die Schwäbische Alb ist aus mehreren Gründen ein geologisches und kulturelles Unikat: Sie erzählt von über 200 Millionen Jahren Erdgeschichte. Hier gibt es rund 2.800 dokumentierte Höhlen, darunter 12 Schauhöhlen und sogar Spuren eines Meteoriteneinschlags. Die Gesteine der Schwäbischen Alb entstanden im Jurameer vor 200 bis 135 Millionen Jahren. Fossilien von Meeressauriern und Flugsauriern zeugen von diesem tropischen Lebensraum. Und: Von hier stammen die ältesten bekannten Kunstwerke und Musikinstrumente der Menschheit: die Venus vom Hohle Fels, der Löwenmensch und diverse Flötenfragmente aus Schwanenknochen, Mammutelfenbein sowie einer fast vollständig erhaltenen Flöte aus Gänsegeierknochen, die auf 40.000 Jahre datiert wird. Diese Funde veranschaulichen, dass Gestein, Landschaft und Kultur der Menschheit untrennbar miteinander verbunden sind.

M: Wie wird dieses Wissen den Besucher*innen vermittelt?

U: Wir setzen auf unser breites Netzwerk: 28 Infostellen, darunter Museen, Schauhöhlen und Naturschutzzentren, bringen Geologie, Kultur und Natur in Einklang. Rund 40 *Geopoints machen Erdgeschichte vor Ort erlebbar wie beispielsweise der Blautopf in Blaubeuren, die Schwefelquellen in Sebastianweiler oder auch die Donauversickerung im Landkreis Tuttlingen. Zudem bieten wir Workshops und Projekte für Schulen an. Unsere Partnerschulen sind ein wichtiges Instrument, um Schüler*innen schon früh für die Themen Geowissenschaften und Nachhaltigkeit zu begeistern.


M: Welche Herausforderungen gibt es bei der Arbeit im Geopark?

U: Eine unserer größten Herausforderungen ist es, die Bedeutung der Geologie für den Alltag der Menschen verständlich zu machen. Vielen ist nicht bewusst, dass Ressourcen wie Wasser, Boden und Rohstoffe von geologischen Prozessen abhängen. Unsere Landschaft und Geosysteme sind ständigem Wandel unterworfen. Die langen Zeiträume geologischer Prozesse sind oft schwer vorstellbar und erklärungsbedürftig, was den Zugang zum Thema schwierig macht. Sensible Geotope werden daher oft nicht als schützenswert erkannt. Unsere Aufgabe ist es, diese Themen zu vermitteln und dabei Nachhaltigkeitsziele einzubinden.

M: Nachhaltigkeitsziele?

U: Ja, gemeint ist die Nachhaltigkeitsagenda der UNESCO. – Im September 2015 hat die Weltgemeinschaft 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung definiert, die bis 2030 erreicht werden sollen. Ein sportliches Ziel! Vielen dürfte der Begriff Agenda 2030 bekannt sein. Diese Globale Nachhaltigkeitsagenda ist im Übrigen auch Leitbild für die Politik in Deutschland.

M: Inwiefern wird den Nachhaltigkeitszielen im Geopark Schwäbische Alb Rechnung getragen?

U: Der Geopark Schwäbische Alb ist eine **Modellregion für nachhaltige Entwicklung. Das heißt, wir verbinden Umweltschutz, Bildung, aber auch wirtschaftliche Interessen. Zum Beispiel arbeiten wir eng mit lokalen Unternehmen und Gemeinden zusammen, um nachhaltigen Tourismus zu fördern. Gleichzeitig bewahren wir ***Geotope und schützen die biologische Vielfalt. Nachhaltigkeit stand schon immer im Zentrum unserer Arbeit.

M: Kannst du zur besseren Einordnung Beispiele nennen?

U: Beispiel Uracher Wasserfall: Hier entstehen Sinterterrassen aus Kalktuff, die ein seltenes und empfindliches Ökosystem bilden. Das Betreten dieser Bereiche kann die filigranen Strukturen zerstören. Daher ist Aufklärung der Besucher wichtig, um sensible Zonen durch Besucherlenkung zu schützen. Das Gleichgewicht zwischen Tourismus und Naturschutz ist essenziell! Ein weiteres Beispiel ist das Projekt Geowindows zur Darstellung von Erd- und Umweltprozessen in der Geologie, das wir mit Schulen umgesetzt haben. Dabei lernen Kinder und Jugendliche, wie geologische Phänomene und Nachhaltigkeit zusammenhängen – spielerisch und interaktiv. 

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Weitere Informationen

M: Eine Frage, die sicherlich viele Leser*innen interessiert: Was unterscheidet den UNESCO Global Geopark Schwäbische Alb vom UNESCO-Biosphärengebiet Schwäbische Alb und von den Welterbestätte Höhlen und Eiszeitkunst, die ebenso in diesem Gebiet liegen? Das ist verwirrend.

U: Das ist tatsächlich ein häufiges Missverständnis, da alle drei Institutionen im Landschaftsraum der Schwäbischen Alb liegen und von der UNESCO anerkannt sind, aber unterschiedliche Schwerpunkte und Aufgaben haben. Die Karstlandschaft der Schwäbischen Alb und ihr reiches erd- und kulturgeschichtliches Erbe sind einmalig auf der Welt und haben 2015 die UNESCO dazu veranlasst, das Gebiet mit ihrem Qualitätssiegel UNESCO Global Geopark auszuzeichnen. Aktuell führen lediglich 213 Naturlandschaften weltweit dieses renommierte Label. Unsere Aufgabe besteht darin, Erdgeschichte, Geowissenschaften und nachhaltige Regionalentwicklung in Einklang zu bringen.

Das UNESCO-Biosphärengebiet Schwäbische Alb hingegen konzentriert sich auf den Schutz und die nachhaltige Nutzung von Natur- und Kulturlandschaften. Hier steht die biologische Vielfalt im Vordergrund. Während wir im Geopark beispielsweise auf geologische Prozesse in Karstlandschaften eingehen, beschäftigt sich das Biosphärengebiet mit Themen wie der nachhaltigen Landwirtschaft, Forstwirtschaft oder auch dem Erhalt von Lebensräumen.

Das Welterbe Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb wiederum ist auf sechs Höhlen und ihre einmaligen archäologischen Funde begrenzt. Diese Höhlen sind die Fundstätten der ältesten figürlichen Kunstwerke und Musikinstrumente der Menschheitsgeschichte, wie der Venus vom Hohle Fels oder der Löwenmensch-Figur. Der Schwerpunkt liegt hier klar auf dem Schutz und der Präsentation dieser Kulturschätze, die das Verständnis für die Entwicklung des Menschen fördern.

M: Arbeiten diese Institutionen zusammen und wenn ja, wie?

U: Wir ergänzen uns hervorragend, da alle drei Ansätze – Geologie, Ökologie und Kulturgeschichte – eng miteinander verzahnt sind. Beispielsweise sind die Höhlen aus geologischer Sicht bedeutende Karstphänomene, die gleichzeitig Lebensraum und Fundorte menschlicher Geschichte sind. Unsere Zusammenarbeit, etwa in gemeinsamen Bildungsprojekten, stärkt das Verständnis der Bevölkerung und Besucher für die Schwäbische Alb. Der UNESCO Geopark eröffnet durch seine enge internationale Vernetzung mit über 213 Geoparks weltweit vielfältige Möglichkeiten für Kooperationen, Wissensaustausch und gemeinsame Projekte. Die Schwäbische Alb profitiert dabei von einem globalen Ideen- und Wissenspool.

M: Wie wird der Geopark finanziert und organisiert?

U: Der Geopark ist ein Verein, getragen von zehn Landkreisen, dem Schwäbischen Alb Tourismus, Kommunen, Partner aus der Industrie und weiteren. Wir sind eine Nonprofit-Organisation und erhalten Unterstützung vom Land Baden-Württemberg mittels Fördermittel.

M: Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Geoparks?

U: Wir möchten die Schwäbische Alb als Vorbildregion für nachhaltige Entwicklung stärken. Dazu gehört, noch mehr Menschen – ob vor Ort oder weltweit – für die Bedeutung von Geologie und den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu begeistern. – Und wenn eines Tages ein Investor ums Eck käme, der uns bei der Errichtung eines Besucherzentrums unterstützte, damit ein breiteres Publikum die Vielfalt und die Besonderheiten der Schwäbischen Alb begreifen und schätzen lernt, wäre das grandios… .

M: Vielen Dank für das Gespräch, Ute.

Weitere Informationen:

* Ein Geopoint ist ein Ort im UNESCO Global Geopark, der eine besondere geologische, natürliche oder kulturelle Bedeutung hat und Teil des offiziellen Netzwerks des Geoparks ist. Geopoints dienen dazu, die erdgeschichtlichen Besonderheiten der Region sichtbar und für Besucher erlebbar zu machen.

** Modellregion für nachhaltige Entwicklung
Eine Modellregion für nachhaltige Entwicklung ist ein Gebiet, in dem innovative Ideen und Maßnahmen getestet werden, um Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft im Einklang zu fördern und langfristig zukunftsfähig zu gestalten.

*** Ein Geotop ist ein besonders wertvoller Ort in der Natur, der uns etwas über die Entstehung der Erde und ihre Geschichte erzählt. Das können beeindruckende Felsen, Höhlen, besondere Landschaften oder Fossilfunde sein. Geotope sind wie ein offenes Geschichtsbuch der Erde und helfen uns, mehr über die Natur und ihre Entwicklung zu verstehen.

  • UNESCO Geoparks Vom geologischen Erbe zu einer nachhaltigen Zukunft (PDF)
  • Bildung und SDGs: Nachhaltigkeitsagenda der UNESCO 
  • UNESCO Geopark Schwäbische Alb und die Globale Nachhaltigkeitsagenda (PDF)
  • Kultur und Natur: Geoparks 

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