Folge uns auf

Christine Joos hilft Kindern, deren Elternteile gestorben sind.


Interviewt von Mathias Eigl

Mathias Eigl: Christine, du leitest Lacrima in Ulm und Neu-Ulm, eine Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche. Wie bist du zu dieser Aufgabe gekommen?

Christine Joos: Ich hatte selbst als Kind einen schweren Verlust – meine Mutter starb, als ich zehn Jahre alt war. Damals hat niemand darüber gesprochen, ich wurde mit meiner Trauer allein gelassen. Das hat mich geprägt und irgendwann auch zu meinem Beruf geführt. Als ich vor ein paar Jahren von Lacrima hörte, wusste ich sofort: Das ist genau das, was ich machen will. Anfangs habe ich ehrenamtlich mitgearbeitet, inzwischen leite ich das Projekt.

Mathias Eigl: Was macht Lacrima so besonders?

Christine Joos: Wir bieten Kindern und Jugendlichen einen Raum, um ihre Trauer auszudrücken – ohne Druck, ohne Tabus. In unseren Gruppenstunden sind die Kinder unter Gleichaltrigen, die Ähnliches erlebt haben. Das hilft ihnen enorm, denn oft fühlen sie sich in ihrem Umfeld unverstanden. Gleichzeitig arbeiten wir auch mit den Erwachsenen zusammen, damit sie ihre Kinder besser unterstützen können.

Mathias Eigl: Wie laufen die Gruppenstunden ab?

Christine Joos: Die Kindergruppen treffen sich alle zwei Wochen in der Friedenskirche im Wiley, die Jugendlichen in den Räumen der Johanniter-Unfall-Hilfe. In den Sitzungen sprechen wir über ihre Erlebnisse, aber wir machen auch kreative Dinge: Erinnerungskisten gestalten, Bilder malen, Geschichten schreiben. Es geht darum, den Gefühlen einen Ausdruck zu geben und das Erlebte zu verarbeiten.

Mathias Eigl: Das klingt nach sehr intensiver Arbeit. Wie gehst du damit um?

Christine Joos: Natürlich gibt es Geschichten, die mich berühren, vor allem, wenn sie an meine eigenen Erlebnisse erinnern. Aber ich habe gelernt, eine gesunde Distanz zu wahren. Das ist auch etwas, das wir unseren ehrenamtlichen Helfern vermitteln – wie wichtig es ist, nach der Arbeit wieder in das eigene Leben zurückzukehren.

Mathias Eigl: Was wünschst du dir für die Zukunft von Lacrima?

Christine Joos: Ich wünsche mir, dass wir noch mehr Menschen erreichen können. Trauer ist kein Tabuthema, und sie braucht Raum. Viele Kinder und Jugendliche werden mit ihren Gefühlen allein gelassen, oft auch, weil Erwachsene nicht wissen, wie sie mit dem Thema umgehen sollen. Wir müssen mehr darüber sprechen, auch in Schulen und im Alltag.

Mathias Eigl: Was hat dir persönlich Lacrima gegeben?

Christine Joos: Es ist unglaublich erfüllend, zu sehen, wie die Kinder nach und nach wieder Hoffnung schöpfen. Ich glaube, ich gebe ihnen etwas, das ich damals gebraucht hätte – einen sicheren Ort, wo sie gehört und verstanden werden.

Mathias Eigl: Danke, Christine, für das Gespräch und für deine wertvolle Arbeit!

Christine Joos: Danke dir, Mathias. Es ist schön, über ein Thema sprechen zu dürfen, das mir so am Herzen liegt.

Verwandte Beiträge

Zwischen Getriebenheit und Gelassenheit

Eine Unruhe oder das Gefühl, „da fehlt doch noch etwas“,...

Früher Überlebenskünstler, heute „Problemkinder“?

Warum unsere Gesellschaft ein Problem mit andersdenkenden Menschen hat –...

Auf Umwegen nach Ulm …

„Ulm war alles andere als Liebe auf den ersten Blick....

Eine Antwort hinterlassen