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Ulm baut. Und baut. Und baut. Aber warum eigentlich?

Baustellen sind wie schlechte Wettervorhersagen – man weiß, dass sie kommen, man hofft, dass sie nicht so schlimm sind, und am Ende trifft es einen doch. In Ulm gibt es allerdings eine Besonderheit: Hier haben Baustellen ihre eigenen Social-Media-Kanäle. Ja, richtig gehört – Ulm hat ein eigenes Kommunikationsteam, das erklärt, warum gebaut wird, wie lange es dauert und welche Verbesserungen damit verbunden sind.

Willkommen in der Welt der Baustellenkommunikation

Ilka ist Teil dieses Teams. Ihr Job? „Ich bin dafür zuständig, dass die Leute wissen, warum sie wieder mal im Stau stehen“, sagt sie lachend. Dass sie mal Baustellen-Influencerin wird, hätte sie als Kind auch nicht gedacht. Aber jetzt steht sie auf Baustellen, spricht mit Bauleitern, fotografiert Bagger – und kennt sich mit den Tücken des Straßenbaus besser aus als so mancher Autofahrer, der sich über die Sperrungen aufregt.

Baustellenkommunikation klingt zunächst nach einer Mischung aus PR und Schadensbegrenzung. Doch in Wahrheit ist es eine Art Übersetzungsarbeit: Brücken, Straßen und Leitungen altern – und wenn sie nicht rechtzeitig erneuert werden, entstehen Probleme, die weit über ein paar Umleitungen hinausgehen. „Brücken müssen regelmäßig saniert werden, damit sie sicher bleiben“, sagt Ilka. „Wird das nicht gemacht, kann es langfristig zu Schäden kommen.“

Aber warum scheint aktuell alles gleichzeitig saniert zu werden? Ganz einfach: Viele Brücken und Straßen stammen aus derselben Bauzeit und haben inzwischen ihre Lebensdauer erreicht. „Damals konnte niemand ahnen, dass irgendwann doppelt so viele Autos und deutlich schwerere LKWs darüber rollen würden.“ Dazu kommt, dass Ulm 2030 die Landesgartenschau ausrichtet – und bis dahin soll einiges fertig sein. „Gerade bei der Wallstraßenbrücke bedeutet das: Die Erneuerung der B 10 muss vorher stattfinden.“

Von Archäologen und Überraschungen im Boden

Wer denkt, Baustellen seien nur eine Frage der Logistik, hat noch nie einen Spaten in den Boden gestochen. Denn dort lauern Überraschungen. „Es gibt wenig Baustellen, die exakt nach Plan verlaufen“, sagt Ilka. „Manchmal stößt man auf alte Leitungen, die in keiner Karte verzeichnet sind. Oder auf historische Funde – in der Friedensstraße haben die Kollegen der Fernwärme zum Beispiel Skelette entdeckt. Dann rücken Archäologen an und untersuchen das Ganze, bevor weitergebaut wird. Außerdem können Baufirmen nach Auftragsvergabe die Umsetzung mitgestalten, was ebenfalls zu Planänderungen führen kann.”

Solche Entdeckungen sorgen für Verzögerungen – und für die klassische Frage: „Warum dauert das immer so lange?“ Die Antwort: Weil jede Baustelle eine Wundertüte ist. „Manchmal tauchen unerwartete Probleme auf, und dann kann es auch mal länger dauern. Manchmal ist das auch einfach nur die falsche Witterung.“

Social Media für Baustellen – warum eigentlich?

Ulm geht hier einen besonderen Weg. Die Stadt hat eine eigene Kommunikationsabteilung für Baustellen. Warum? „Weil Menschen weniger genervt sind, wenn sie frühzeitig informiert sind und verstehen, warum etwas passiert“, erklärt Ilka.

Das Team produziert Videos und macht Fotos mit den Ingenieuren und erklärt, warum gerade wieder eine Straße aufgerissen wird. Dabei geht es nicht um Imagepflege, sondern um echte Transparenz und ein niederschwelliges Informationsangebot. „Die Leute regen sich weniger auf, wenn sie sehen, dass hinter dem Bauzaun tatsächlich gearbeitet wird und das Ganze einen Sinn hat. Wir kommunizieren über viele verschiedene Kanäle: Neben Social Media haben wir auch eine eigene App, die ulmbautumApp (kostenlos in allen App-Stores), einen Newsletter und natürlich die Website der Stadt Ulm. Aber wir veranstalten zum Beispiel auch ein großes Fest für die ganze Bürgerschaft auf der westlichen Hälfte der Wallstraßenbrücke Ende November dieses Jahres.

Und die Strategie geht auf. Die Baustellen-Kanäle der Stadt Ulm wachsen – und der Dialog mit der Bürgerschaft ist in vollem Gange. „Wir bekommen Nachrichten von Leuten, die fragen, ob wir nicht vorher eine Warnung rausschicken können, wenn eine neue Baustelle kommt, damit sie früher losfahren können. Genau das machen wir jetzt – just in time.“

Ulm macht’s anders – und das ist gut so

In Ulm hat man begriffen, dass Menschen lieber informiert als überrascht werden. Das Ziel ist nicht nur, Sperrungen anzukündigen, sondern zu zeigen, was genau passiert und wie man diese umfahren kann. „Wir machen keine Schönfärberei“, sagt Ilka. „Baustellen nerven. Immer. Aber sie sind notwendig. Und wenn wir schon umbauen müssen, dann wenigstens so, dass die Leute wissen, warum.“

Vielleicht ist das der eigentliche Unterschied: In Ulm geht es nicht nur um Straßen, Brücken und Leitungen. Es geht darum, dass die Stadt funktioniert und dass die Menschen -auch manchmal auch mit einer Prise Humor versehen- verstehen, was hinter den Bauzäunen passiert.

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