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René “VooDoo” Wendland: Ein Leben zwischen Spanien, Games und Ulm.

Mathias Eigl (ME): René, du bist eines der markantesten Gesichter Ulms. DJ, Moderator, Radiomacher – seit 1983 stehst du auf der Bühne oder hinterm Mikrofon. Wie würdest du selbst deinen Werdegang beschreiben?

René Wendland (R): (lacht) Als ziemlich verrückt, glaube ich. Geboren wurde ich am Niederrhein, aufgewachsen im Stuttgarter Raum. Ulm wurde später meine Wahlheimat, obwohl ich fast zwei Jahrzehnte in Spanien gelebt habe. Egal, wo ich war, ich habe immer Gespräche gesucht – ob in Bars, im Radio oder auf Veranstaltungen. Musik war dabei mein ständiger Begleiter. Mein Motto ist „Life is Rock’n’Roll – but I like it“, und genau so lebe ich.

ME: Du bist seit 1983 als DJ aktiv und warst Moderator bei Radio free FM. Wie hat das alles angefangen?

R: In den 80ern habe ich viel BFBS gehört, den britischen Radiosender, der bei uns am Niederrhein lief. John Peel war mein Idol – seine Sessions waren legendär, und er hatte diese ungekünstelte Art, Musik zu präsentieren. Das hat mich inspiriert. Später, in Ulm, habe ich bei Free FM angefangen, mit einer nächtlichen Ambient-Techno-Show von Mitternacht bis sechs Uhr morgens. Danach habe ich die „Ulmer Freiheit“ moderiert – das war eine Nachmittagssendung, in der wir alles gemacht haben, von Interviews bis zu Live-Übertragungen von DJ-Events.

ME: Was hat dich an der Radiowelt fasziniert?

R: Die Möglichkeit, Menschen zu erreichen und zu verbinden. Radio hat etwas Magisches – du bist mit jemandem im Gespräch, und gleichzeitig hören dir Hunderte oder Tausende zu. Es ist eine Plattform, um Geschichten zu erzählen und Menschen ihre Leidenschaft näherzubringen, sei es Musik, Kunst oder etwas anderes.

ME: Du hast fast 20 Jahre in Spanien gelebt. Was hat dich damals dorthin geführt?

R: Liebe. Meine Frau und ich haben uns 2001 kennengelernt. Sie war Wirtschaftspsychologin, und gemeinsam haben wir in Spanien drei Firmen gegründet. Wir haben uns auf Serious Games spezialisiert – Spiele, die nicht nur Spaß machen, sondern Wissen vermitteln oder Fähigkeiten fördern.

ME: Was genau sind Serious Games?

R: Das sind Spiele, die für Bildung oder Training eingesetzt werden. Zum Beispiel haben wir für Mercedes ein Spiel entwickelt, das Mitarbeitern half, die japanische Geschäftskultur zu verstehen. Anstatt sie in Seminare zu stecken, konnten sie spielerisch lernen, wie man in Japan erfolgreich Geschäfte macht. Ein anderes Projekt war „Lingua“, eine Sprachlernplattform für Unternehmen. Und dann hatten wir ein Spiel, mit dem man in kurzer Zeit das Zehnfingersystem lernen konnte.

ME: Wie war das Leben in Valencia?

R: Unglaublich inspirierend. Die Leute, das Klima, die Lebensfreude – es war wie ein großer Schmelztiegel. In Spanien ist das Leben draußen, es ist laut, herzlich, unperfekt und trotzdem wunderschön. Wir haben Serious Games entwickelt, die Firmen wie Mercedes geholfen haben, und eine Sprachlernplattform aufgebaut. Gleichzeitig war es auch eine Zeit, in der ich als DJ und Veranstalter viel machen konnte.

ME: Was hat sich verändert, als deine Frau 2018 verstorben ist?

R: Alles. Es war, als würde der Boden unter mir weggezogen. Wir haben so viel zusammen gemacht – sie war nicht nur meine Frau, sondern auch mein Partner, meine Vertraute, meine Inspiration. Nach ihrem Tod war ich wie gelähmt. Die Firmen liefen zwar weiter, aber ich hatte keine Energie mehr, sie zu führen. Sie hatte ein unglaubliches Gespür für didaktische Konzepte, und ohne sie fehlte einfach das Herzstück.

ME: Wie hast du dich in dieser Zeit über Wasser gehalten?

R: Ich habe alles Mögliche probiert. Zunächst habe ich die Firmen noch am Laufen gehalten, aber mit der Zeit wurde klar, dass es ohne sie nicht geht. Also habe ich einen Schritt zurück gemacht und mich in die Gastronomie gestürzt. Ich habe eine Strandbar übernommen – direkt am Meer. Es war ein bisschen wie Therapie für mich. Ich habe Cocktails gemixt, Musik aufgelegt und einfach versucht, irgendwie weiterzumachen.

ME: Eine Strandbar zu führen klingt nach einem Traum, aber auch nach harter Arbeit. Wie war das?

R: Es war beides. Morgens um acht fängst du an, abends um zwei bist du fertig – das geht an die Substanz. Aber es hat mir auch etwas zurückgegeben. Die Menschen, die Sonne, das Meer – das alles hat mich daran erinnert, warum ich Spanien so liebe. Es war auch ein Ort, an dem ich wieder zur Ruhe kam und langsam akzeptieren konnte, dass mein Leben sich verändert hat.

ME: Was hat dich letztendlich dazu gebracht, nach Deutschland zurückzukehren?

R: Corona. 2020 war die Gastronomie in Spanien komplett am Boden. Es gab keine Hilfen, keine Perspektive. Ich war finanziell und emotional ausgebrannt und wusste, dass ich einen Neuanfang brauche. Also bin ich nach Ulm zurückgekehrt – an einen Ort, der mir vertraut war, auch wenn ich wusste, dass es nicht einfach werden würde.

ME: Wie hast du dich nach deiner Rückkehr in Ulm wieder eingelebt?

R: Es war ein Prozess. Vieles war vertraut, aber gleichzeitig war ich nach all den Jahren in Spanien ein anderer Mensch. Ulm ist nicht Spanien – die Leute sind zurückhaltender, das Leben ist geordneter. Aber mit Caroline habe ich wieder eine Basis gefunden. Sie hat mir gezeigt, dass ich Ulm mit neuen Augen sehen kann.

ME: Caroline ist die Tochter von Ehinger Schwarz. Wie habt ihr euch kennengelernt?

R: Wir haben uns erst vor Kurzem kennengelernt, aber es fühlt sich an, als würden wir uns schon ewig kennen. Sie ist unglaublich kreativ und führt den Laden ihres Vaters in den ehemaligen Atelierräumen am Metzger-Turm weiter. Ihre Vision und ihr Gespür für Design inspirieren mich.

ME: Was verbindet euch?

R: Unsere gemeinsame Leidenschaft, etwas zu bewegen. Caroline hat eine klare Vision für das, was sie tut, und das inspiriert mich. Sie bringt mich dazu, Dinge neu zu sehen – sei es Kunst, Design oder das Leben in Ulm.

ME: Was vermisst du am meisten an Spanien?

R: Das Meer. Die Menschen. Und diese Lebensart, bei der alle zusammenkommen – egal ob jung oder alt, Anwalt oder Mechaniker. Ich erinnere mich an die Strandbar, wo abends alle gemeinsam gefeiert haben. Kinder, Eltern, Großeltern – das war ein Gefühl von Gemeinschaft, das ich in Deutschland manchmal vermisse.

ME: Wo siehst du dich in fünf Jahren?

R: Gesund und glücklich, das ist das Wichtigste. Beruflich möchte ich wieder kreativer werden und neue Projekte anstoßen. Aber ehrlich gesagt, habe ich gelernt, dass das Leben oft unvorhersehbar ist. Für den Moment möchte ich einfach das Beste aus jedem Tag machen – in Ulm oder vielleicht irgendwann wieder am Meer.

ME: René, vielen Dank für das Gespräch. Deine Geschichte ist inspirierend!

R: Danke dir, Mathias. Es hat Spaß gemacht, darüber zu sprechen!

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