Marian Schneider über Pommes, Burnout und Karriere.
Marian Schneider ist Geschäftsführer von Gastroevents und Chef des Wiley Clubs, Barrel House, BellaVista und Seestern. Mit tief verwurzelter Leidenschaft für das Gastgewerbe erzählt er von den Höhen und Tiefen seiner Karriere und wie ihn ein Mentor in der wohl schwersten Phase, dem Burnout, unterstützt hat.
Das Interview führte Mathias Eigl, Gründer des Ulmer Spickzettels, der ersten Social-Media-Agentur im Schwabenland ULM ME (www.ulm.me) und langjähriger Chefredakteur verschiedener Schülerzeitungen.
Mathias Eigl: Marian, du bist nun schon eine ganze Weile in der Spitzenküche unterwegs, hast einen Mentor gefunden, hast einen Burnout überstanden und führst ein außergewöhnliches Restaurant ohne Pommes. Lass uns direkt loslegen: Wer bist du in 20 Sekunden?
Marian Schneider: Boah, das ist schwierig. Kurz und knackig? Ein Koch, der nie aufgehört hat, zu kochen. Ein Typ, der den Beruf mit Haut und Haaren lebt, auch wenn die Branche mir einiges abverlangt hat.
Mathias: Perfekt. Klingt, als wärst du richtig drin in der Kochwelt. Wie bist du da reingerutscht?
Anzeige:Marian: Ich komme aus einem kleinen Ort in Oberfranken, einem ehemaligen Kloster mit gerade mal 285 Einwohnern. Da gab’s alles: Bäcker, Metzger, Bauernhöfe. Ich hatte eine echt freie Kindheit und dachte irgendwann: „Kochen ist cool!“ Schon mit 6 oder 7 war ich überzeugt, dass ich das besser könnte. Meine Eltern haben gut gekocht, aber ich hab’s anders gemacht. Bei mir gab’s Nudeln mit Ketchup und Butter.
Mathias: Nudeln mit Ketchup? Ein Klassiker, den jeder kennt! Wie ging’s dann weiter?
Marian: Mit 16 bin ich in die Ausbildung als Koch, deutschlandweit habe ich Bewerbungen geschrieben. Tatsächlich wurde ich oft abgelehnt, einfach weil ich zu jung war. Damals wollten sie 18-Jährige, die „ausbeutbar“ waren – das war halt noch eine andere Zeit.
Mathias: Und dann hast du’s doch geschafft?
Marian: Ja, ich landete in Bad Wörishofen, in einem 5-Sterne-Hotel. Mein Ausbilder, Klaus Geiger, wurde ein guter Freund. Die Ausbildung war hart. Ich habe mir damals geschworen: „Wenn ich mal in einer Position bin, wo ich die Ausbildung beeinflussen kann, mache ich es anders.“
Mathias: Krass, und das hast du dann wirklich durchgezogen. Woher kommt deine Disziplin?
Marian: Na ja, ich habe in meinen Urlauben in den besten Küchen Europas gearbeitet, bei Sterneköchen. Ich fand das cool, für mich war das keine Arbeit. Das ist so ein Lebensstil, ich liebe das bis heute. Aber so richtig erfolgreich wird man nur, wenn man für sich das Arbeiten als eine Art Hobby sieht. Mein Job ist kein 9-to-5-Job. Das passt auch nicht zu meinem Charakter.
Mathias: Du hast auch viel Stress und einige Höhen und Tiefen durchgemacht, sogar einen Burnout, oder?
Marian: Genau. 2004 übernahm mein Chef das Lago, und ich bin nach Ulm gekommen. Damals gab’s das Bella Vista noch nicht. Ich wollte kochen, aber mir fehlte die richtige Führung. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich körperlich und seelisch einfach zusammenbrach. Burnout? Ja, obwohl man das damals noch nicht so genannt hat. Aber zum Glück hatte ich Leute um mich, die sagten: „Du fängst wieder da an, wo es aufgehört hat.“ Das war ein harter, aber richtiger Weg.
Mathias: Und dein Mentor, wie kam der ins Spiel?
Marian: Mein Chef, Herr Eifert, wurde mehr als nur ein Chef. Er ist für mich ein echter Mentor, jemand, der mich gefördert und gefordert hat. Es war eine Art Lebensausbildung, und ich würde sagen, er ist eine der wichtigsten Personen in meinem Leben.
Mathias: Stichwort Bella Vista – warum gibt’s da keine Pommes?
Marian: (lacht) Weil ich entschieden habe, dass es keine gibt. Genau wie Ketchup und Eierspeisen. Es ist ein bisschen meine Spielwiese, mein Einflussbereich. Es gab nie einen wirklichen Grund, keine Pommes anzubieten, aber ich wollte mal sehen, wie es ankommt, und habe die Entscheidung einfach durchgezogen. Bis heute gibt’s das nicht, und die Leute akzeptieren es.
Mathias Eigl: Also, du sprichst den Gästen ein bisschen mehr Geschmackstraining zu? Schon irgendwie mutig, in einer Zeit, wo fast jeder Frittierfett im Blut hat.
Marian Schneider: Kann man so sagen. Es ist wie ein kleiner Protest gegen dieses „Ich-will-alles-und-zwar-jetzt“. Wir servieren, was wir richtig gut finden – und manchmal muss man auch mal „nein“ sagen können. Ein Rührei? Klar, könnte man – aber die Vielfalt der Wünsche würde einfach den Rahmen sprengen. Wir wollen lieber in die Tiefe gehen.
Mathias Eigl: Klingt fast schon wie ein Manifest. Du hast vorhin von Burnout und der Belastung im Gourmet-Bereich erzählt. Hat dich das BellaVista gerettet, diese Art, das Leben und die Küche bewusster anzugehen?
Marian Schneider: Definitiv. Im BellaVista lebe ich mein Konzept vom bewussten Arbeiten und bewussten Leben aus. Damals im Hochleistungsküchen-Bereich gab es nur Perfektion und Druck. Heute habe ich gelernt, dass das keine Endstation sein darf. Es geht darum, Spaß zu haben und Verantwortung mit einem klaren Kopf zu übernehmen.
Mathias Eigl: Da steckt ja auch eine ordentliche Portion Philosophie dahinter. Kochen als Lebensweg und nicht nur als Beruf – das ist eine ziemlich tiefe Einstellung. Würdest du sagen, dass dieser Weg für dich so eine Art persönliche Heilung war?
Marian Schneider: Ja, das kann man so sagen. In einer Welt, die immer schneller und hektischer wird, ist die Küche für mich der Ort, an dem ich zur Ruhe komme und gleichzeitig voll da bin. Das ist fast meditativ. Früher habe ich für die Anerkennung gekocht, für das perfekte Gericht, für die Auszeichnungen. Heute koche ich, um die Menschen zu berühren und sie für einen Moment aus ihrem Alltag zu holen. Und ja, das ist auch für mich selbst eine Art Heilung – den Druck und die Perfektion loszulassen und einfach das zu tun, was ich liebe.
Mathias Eigl: Eine schöne Entwicklung. Wenn ich dich richtig verstehe, geht es dir nicht mehr nur ums Essen, sondern um eine Haltung. Was ist es, was du deinen Gästen am liebsten mitgeben möchtest, wenn sie bei dir im BellaVista waren?
Marian Schneider: Ganz genau. Es geht mir um Achtsamkeit, um eine Pause vom Alltag und das Erlebnis, bewusst zu genießen. Ich wünsche mir, dass meine Gäste hier ein Gefühl der Leichtigkeit finden, ein Gefühl von „zurück zu den Wurzeln“, ohne Ablenkungen, ohne Schnickschnack. Die Kunst liegt im Einfachen – das ist meine Philosophie. Und wenn sie mit diesem Gefühl nach Hause gehen, habe ich mein Ziel erreicht.
Mathias Eigl: Das hört sich wirklich inspirierend an. Marian, ich danke dir für das Gespräch und dafür, dass du uns in deine Welt mitgenommen hast. Bleib deiner Vision treu, das BellaVista ist ein echtes Juwel.