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Der Brombeermörder von Ulm – Wie ein Chemielehrer den perfekten Mord plante und scheiterte

Ulm, 1977. Ein angesehener Chemielehrer. Eine tödliche Affäre. Und ein Brombeerkompott, das alles auffliegen lässt.

Es sollte das perfekte Verbrechen werden. Siegfried R., Chemielehrer und Fachleiter für Chemie am Schubart-Gymnasium in Ulm, hatte einen Plan. Keiner sollte ahnen, dass er seine Frau über Jahre hinweg langsam vergiftete. Kein Giftcocktail, kein plötzlicher Tod – sondern eine unheilbare Krankheit, die sich wie ein Schicksalsschlag anfühlen sollte.

Doch dann machte er einen fatalen Fehler.

Ein Mann, der Macht liebte – und keine Skrupel kannte

Wer war Siegfried R.?

Auf den ersten Blick ein unscheinbarer Mann. 48 Jahre alt, Chemielehrer, angesehen, streng, pedantisch. Ein Mann, der seinen Schülern gnadenlose Disziplin abverlangte. Wer nicht pünktlich auf seinem Platz saß, bekam eine mündliche Sechs. Wer sich beschwerte, wurde vor der Klasse bloßgestellt.

Aber hinter der Fassade lauerte mehr. Seine Ehe war längst gescheitert. Seine Frau Ingeborg R., vier Jahre jünger, hatte eine Affäre mit ihrem Hausarzt – bis dieser 1969 bei einem Unfall starb. Danach versuchte das Ehepaar, sich wieder anzunähern. Doch Siegfried R. verzieh nie. Statt die Scheidung einzureichen, wählte er einen anderen Weg.

Einen tödlichen Weg.Das perfekte Mordgift: Unsichtbar, geschmacksneutral, tödlich

Siegfried R. wusste genau, welches Gift er wählen musste. Er war kein Amateur. Er war Chemielehrer. Sein Wissen machte ihn gefährlich.

Er entschied sich für Nitrosamin – eine hochgradig krebserregende Substanz, die man damals kaum nachweisen konnte. Geruchlos. Geschmacklos. Und perfekt für einen Mord, der nicht nach Mord aussah.

Schon winzige Mengen verursachten Krebs.
Die Vergiftung konnte sich über Jahre hinziehen.
Kein Arzt würde Verdacht schöpfen.

Und das Perfide: Er besorgte sich das Gift über den Etat der Schule. Offiziell für den Chemieunterricht. In Wahrheit für ein Verbrechen, das Ulm erschüttern sollte. Jahrelange Vergiftung – und ein entscheidender Fehler.

Ab 1975 verabreichte er seiner Frau über Jahre hinweg kleine Mengen des tödlichen Stoffes. In ihrem Essen. In ihrem Tee. Sie wurde immer schwächer. Die Ärzte fanden nichts. Siegfried R. hatte die Kontrolle – bis er die Geduld verlor.

Er wollte nicht mehr warten. Er mischte eine tödliche Dosis in ein Brombeerkompott und brachte es seiner Frau ins Krankenhaus. Doch dann wurde ihm seine eigene Kälte zum Verhängnis. Er fragte zu oft nach dem Kompott.

Immer wieder wollte er wissen, ob sie es gegessen hatte. Wie es ihr danach ging. Ob es ihr schlechter ging. Das machte die Familie misstrauisch.

Sie ließen eine Probe untersuchen. Der erste Test zeigte nichts – doch dann fütterten die Rechtsmediziner das Kompott an Versuchstiere.

Am nächsten Morgen waren alle tot. Die Wahrheit kam ans Licht. Und Ulm stand unter Schock.

Verhaftung und Prozess: Als das Unfassbare bekannt wurde

Im Mai 1977 wurde Siegfried R. mitten im Schulalltag verhaftet. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Ein Lehrer – ein Mörder? Die Stadt tobte.

April 1978, Schwurgericht Ulm.

Der Prozess wurde zum Spektakel. Journalisten belagerten das Gerichtsgebäude, Schüler wurden auf dem Schulhof von Reportern belagert.

Was war sein Motiv?

Drei Theorien standen im Raum:

1. Eifersucht und gekränkte Eitelkeit – Er konnte den Seitensprung seiner Frau nicht ertragen.

2. Freie Bahn für eine neue Affäre – Er hatte selbst eine Beziehung mit einer 23 Jahre jüngeren Kollegin.

3. Geldgier und Geiz – Eine Scheidung wäre teuer geworden. Ein „natürlicher Tod“ war die billigere Lösung.

Siegfried R. beteuerte seine Unschuld – bis man ihm nachwies, dass er das Gift seit Jahren gezielt einsetzte.

Das Urteil? Lebenslänglich.

Damals ein historisches Urteil – denn es war der erste Fall in Deutschland, bei dem ein Täter für einen versuchten Mord zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.

Seine Frau, Ingeborg R., erlebte das Urteil nicht mehr lange. Wenige Monate später starb sie an den Folgen der jahrelangen Vergiftung.

Das düstere Ende: Als das Schicksal zurückschlug

Siegfried R. verbrachte sechs Jahre im Gefängnis. Er unterrichtete andere Insassen, half ihnen, ihren Schulabschluss zu machen. Doch seine letzte Lektion erteilte ihm das Leben selbst.

Oktober 1984. Sechs Jahre nach seiner Verurteilung stirbt er – an Magenkrebs.

Das Gift, das er so skrupellos genutzt hatte, um seine Frau zu töten, ließ ihn sein eigenes Leben nicht mehr genießen.

Warum dieser Fall Ulm bis heute fasziniert? Der Brombeermörder von Ulm bleibt einer der spektakulärsten Kriminalfälle in der Region. Ein Fall voller Skrupellosigkeit, wissenschaftlicher Präzision und tragischer Ironie.

Ein Chemielehrer, der mit Gift mordet.

Ein Mord, der kein Mord sein sollte.

Ein Täter, der selbst nicht entkommen konnte.

Wäre Siegfried R. nicht so ungeduldig geworden – wäre sein Verbrechen vielleicht niemals aufgeklärt worden. Doch am Ende brachte ihn sein eigenes Kompott zu Fall.

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