
Georgios – Der Ulmer, der auszog, um die Sonne wiederzufinden
Ulm ist schön. So richtig. Münster, Donau, Brezeln mit Butter. Aber es gibt eben Dinge, die kann selbst die schönste Stadt der Welt nicht liefern – zum Beispiel 300 Sonnentage im Jahr. Oder das Gefühl, dass das Leben auch unter der Woche ein bisschen tanzen darf. Für Georgios war das irgendwann zu wenig. Mit 23 hat er Tschüss gesagt. Tschüss Ulm, Tschüss grauer Himmel. Hallo Thessaloniki.
Dabei war Ulm seine Heimat. Geboren in den 80ern, aufgewachsen zwischen deutschen Klassenzimmern und griechischen Familienfesten. Die Wurzeln reichen tief: Die Großeltern kamen einst aus Kavala nach Ulm – aus einem Ort am Meer in eine Stadt mit Nebel. „Sie kamen mit Hoffnung, Mut und Koffern, aber ohne Klimaanlage“, sagt Georgios heute. Und lacht dabei so warm, dass man sofort weiß: Der Mann meint es liebevoll.
Zwischen Alb-Idyll und Sehnsucht nach Süden
Als Sohn griechischer Einwanderer lebte Georgios das typische „Khroma“-Leben: Tagsüber Ulmer Alltag, abends griechische Sprache am Küchentisch. „Ich habe mich nie ganz fremd gefühlt“, sagt er. „Aber auch nie ganz zuhause.“ Ein Gefühl, das viele kennen, die zwischen zwei Kulturen aufwachsen. Man lernt früh, dass man zwei Seelen in der Brust haben kann – eine mit Spätzlehunger und eine mit Fernweh.
Mit Anfang 20 wurde das Fernweh dann lauter. Georgios konnte sich nie so richtig mit dem Klima anfreunden. „Ich weiß, das klingt banal, aber: Ich bin hier aufgewachsen und hab trotzdem nie verstanden, wie man so wenig Sonne aushalten kann“, sagt er. Und dann war da noch was: „In Griechenland ist es einfach lockerer. Spontaner. Du gehst um zehn abends aus dem Haus und denkst nicht, dass du zu spät bist. In Ulm schließt der Supermarkt da schon.“
Der Tag, an dem Ulm zu klein wurde
Der Abschied war kein Drama. Kein Film-mit-Regen-und-Geigen-Musik-Moment. Aber leicht war er trotzdem nicht. „Die Tage vor dem Umzug waren hart. Ich hatte Panikattacken. Ich wusste, ich verlasse alles, was ich kenne.“ Ulm war Familie, Freunde, Vertrautheit. Doch es war auch Enge, Kälte – und das Gefühl, dass das eigene Leben woanders erst so richtig beginnt.
Georgios ging mit seinen Eltern nach Thessaloniki – in die Stadt, aus der sein Vater ursprünglich kam. „Mein Bruder ist hier in Ulm geblieben, der andere ist nach München – ich bin der Einzige, der zurückgegangen ist.“ Und trotzdem: Bereut hat er nichts. Im Gegenteil.
Ulm im Herzen, Sonne im Gesicht
Heute pendelt Georgios wöchentlich zwischen Griechenland und Deutschland. Zwischen Thessaloniki, Ulm, Augsburg – und manchmal auch Dubai, wenn’s ganz wild wird. Er handelt mit exklusiven Autos, organisiert technische Checks, spricht perfekt Deutsch mit den Händlern – und verkauft das Ganze dann weiter an seine griechischen Kund*innen, die ihm vertrauen wie dem eigenen Cousin.
„Mein Vorteil ist die Sprache. Ich kenne die deutsche Gründlichkeit – und die griechische Gelassenheit.“ Eine Mischung, die ihm einen festen Platz in beiden Welten sichert.
Was bleibt: die Erinnerung an Ulm – und die Erkenntnis, dass Herkunft mehr ist als ein Ort
„Ich bin Ulmer. Aber eben auch Grieche. Und ich bin froh, dass ich beides sein kann.“ Georgios spricht nicht oft über Heimat, aber wenn er’s tut, klingt’s nach Zuneigung. Und ein bisschen Wehmut. Denn so schön Thessaloniki ist – das erste Eis im Frühling, irgendwo in der Ulmer Altstadt, das vermisst er schon manchmal. Nur der graue Himmel? Den vermisst er nie.