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Anruf bei der Hoffnung : Die unermüdliche Mission der Telefonseelsorge Ulm/Neu-Ulm.


In einer Zeit, in der Isolation und Unsicherheit allgegenwärtig sind, stellt die Telefonseelsorge Ulm/Neu-Ulm einen entscheidenden Anker für viele dar. Rund 15.000 (!) Telefonate, Chat- und Mailkontakte führt das Team der Telefonseelsorge jedes Jahr. Wir haben eine der Leiterinnen der Telefonseelsorge, Claudia Köpf, interviewt – das Gespräch gibt einen Einblick in die entscheidende Arbeit einer Organisation, die täglich zwischen Verzweiflung und Hoffnung vermittelt.

Ulmer Spickzettel: Claudia, erzähl mal, was genau macht ihr in der Telefonseelsorge?

Claudia Köpf: Wir bieten ein offenes Ohr für Menschen in Krisen – und das vor allem telefonisch und online. Unsere Organisation wird durch Kircheneinnahmen, kommunale Zuschüsse und Spenden unterstützt, und wir decken Gebiete in Baden-Württemberg und Bayern ab. 

Ulmer Spickzettel: Wie läuft die Vorbereitung der Ehrenamtlichen?

Claudia Köpf: Jeder unserer 90 Ehrenamtlichen, jung und alt, wird gründlich geschult. Die Ausbildung dauert ein Jahr und beinhaltet alles von Krisenintervention bis zur Online-Beratung. Es ist uns wichtig, dass alle denselben hohen Standard haben, egal welchen Hintergrund sie mitbringen.

Ulmer Spickzettel: Corona hat eure Arbeit sicherlich beeinflusst, oder?

Claudia Köpf: Absolut. Die Anfragen haben sich verdoppelt. Wir sehen jetzt mehr junge Leute, die Hilfe suchen, vor allem online. Es zeigt, wie wichtig unsere Dienste gerade in solchen Zeiten sind.

Ulmer Spickzettel: Wie halten die Ehrenamtlichen das durch?

Claudia Köpf: Das ist nicht einfach, aber wir achten sehr darauf, dass sie gut unterstützt werden. Dazu gehören regelmäßige Supervisionen und Fortbildungen. Wir wissen, wie hart diese Arbeit sein kann, und setzen alles daran, dass sie auch gut für sich selbst sorgen können.

Ulmer Spickzettel: Gibt es besondere Herausforderungen in der Telefonseelsorge?

Claudia Köpf: Die größte Herausforderung ist, einen Draht zu den Menschen in einer Krise herzustellen. Wir müssen sehr sensibel sein und genau hinhören, um richtig zu helfen. Es geht viel um Vertrauen und Verständnis – und das alles über das Telefon oder den Computer.

Ulmer Spickzettel: Kannst du uns einige Zahlen nennen, die das Ausmaß eurer Arbeit verdeutlichen?

Claudia Köpf: Gerne. Seit Beginn der Pandemie haben sich die Kontaktversuche deutschlandweit verdoppelt – von 9 Millionen auf 18 Millionen Anrufe und Kontakte pro Jahr. Hier in unserer Region betreuen wir jährlich rund 15.000 direkte Kontakte, nicht nur Anrufversuche, sondern tatsächliche Gespräche, Chats und E-Mail-Interaktionen. Es zeigt, wie groß der Bedarf an unserer Unterstützung ist.

Ulmer Spickzettel: Wie oft kommen Menschen zurück, suchen wieder Kontakt?

Claudia Köpf: Es gibt durchaus Menschen, die regelmäßig anrufen. Manche sind in anhaltenden Krisen und finden anderswo keine sofortige Hilfe. Wir sind dann eine konstante Unterstützung, bis sie andere Hilfsangebote wahrnehmen können.

Ulmer Spickzettel: Wie geht ihr mit sehr schweren Fällen um, wie etwa Suizidalität?

Claudia Köpf: In solchen Fällen ist unsere Priorität, die Person zu stabilisieren, sie ernst zu nehmen und gemeinsam Möglichkeiten für die bestehende Situation zu finden. Außerdem versuchen wir, ihr passende Hilfsdienste weiterzugeben oder sie zu motivieren, den Rettungsdienst zu aktivieren. Unsere Mitarbeitenden sind für solche Situationen speziell ausgebildet, aber wir sind auch realistisch über unsere Grenzen. 

Ulmer Spickzettel: Gibt es Fälle, die dich besonders berührt oder herausgefordert haben?

Claudia Köpf:  Ja, natürlich. Es gibt viele bewegende Geschichten. Eine, die mir in Erinnerung bleibt, ist die eines Mädchens, das sich nachts nicht nach Hause traute, weil sie Angst vor Gewalt hatte. Unsere Mitarbeiterin konnte sie gut begleiten und ihr helfen, eine sichere Lösung zu finden. Solche Momente zeigen die Wichtigkeit unserer Arbeit.

Ulmer Spickzettel: Wie sorgt ihr dafür, dass eure Ehrenamtlichen nicht unter der Last der schweren Themen zusammenbrechen?

Claudia Köpf: Wir legen großen Wert auf die psychische Gesundheit unseres Teams. Jeder Ehrenamtliche hat Zugang zu Supervision und wir fördern eine Kultur, in der über Belastungen offen gesprochen wird. Es ist wichtig, dass sie sich nicht nur als Helfende, sondern auch als Menschen wahrgenommen fühlen, die selbst Unterstützung in Anspruch nehmen dürfen.

Ulmer Spickzettel: Was wünschst du dir für die Zukunft der Telefonseelsorge?

Claudia Köpf: Ich hoffe, dass wir weiterhin die nötigen Mittel und Unterstützung erhalten, um unsere Arbeit auszubauen, unsere Qualität zu erhalten und noch mehr Menschen erreichen können. Besonders im digitalen Bereich sehen wir großes Potenzial, junge Menschen zu erreichen, die sich eher online als telefonisch melden.

Ulmer Spickzettel: Claudia, vielen Dank für das offene Gespräch und die Einblicke in eure lebenswichtige Arbeit.

Claudia Köpf: Danke auch euch für das Interesse und die Möglichkeit, unsere Arbeit einem breiteren Publikum vorzustellen. Es ist wichtig, dass die Menschen wissen, dass es Hilfe gibt und sie nicht allein sind.

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