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Er könnte skalieren. Will aber nicht.

Vom Informatik-Master zum Spielehändler: Wie Ralph Ulmer mit dem Spielespatz eine analoge Marktlücke in Ulm besetzt

Während andere auf Digitalisierung und skalierbare Start-ups setzen, geht Ralph Ulmer bewusst einen anderen Weg – und trifft damit einen Nerv in einer durchdigitalisierten Gesellschaft.

Ulm, Innenstadt. Ein unscheinbarer Laden mit einem verspielten Namen. „Spielespatz“ steht über der Tür – kein modernes Logo, kein fancy Branding. Und doch passiert hier etwas, das im Zeitalter von Smartphones, KI und Remote Work fast aus der Zeit gefallen scheint: Menschen treffen sich, schauen sich in die Augen und spielen miteinander. Ganz analog. Ganz ohne WLAN.

Im Zentrum dieser kleinen Revolution: Ralph Ulmer, 32, studierter Informatiker, Masterabschluss in der Tasche, Karriere im Tech-Bereich greifbar nah. Stattdessen entschied er sich Anfang 2024 für den Einzelhandel. Genauer: für die Übernahme eines gut eingeführten Brettspielladens.

„Ich wollte nicht einfach nur funktionieren. Ich wollte etwas machen, das Menschen zusammenbringt – nicht weiter voneinander entfernt“, sagt Ulmer im Gespräch mit dem Ulmer Spickzettel.

Rückzug aus der Skalierungslogik

In einer Welt, in der Wachstum alles ist und Effizienz zur Maxime erhoben wurde, ist Ulmers Entscheidung bemerkenswert. Denn der Spielespatz ist kein Start-up mit skalierbarem Geschäftsmodell, sondern ein inhabergeführter Fachhandel – mit allen Herausforderungen, die das mit sich bringt: Personalengpässe, hohe Mieten, Druck durch Onlinehändler.

Trotzdem expandiert Ulmer – nicht in Fläche, sondern in Tiefe: Er erweitert das Sortiment (über 2000 Spiele), verhandelt neue Lieferverträge (mehr als 100 Bezugsquellen) und ist gleichzeitig Berater, Verkäufer und Gastgeber in Personalunion.

Seine Spezialität: kundenzentrierte, psychologisch kluge Verkaufsberatung. „Die meisten haben irgendwann das Spielen verlernt. Meine Aufgabe ist es, ihnen wieder zu zeigen, wie gut sich das anfühlen kann“, so Ulmer. Das Ergebnis: Ein hoher Anteil an Wiederkehrern, viele Stammkunden, starke Mund-zu-Mund-Weiterempfehlung.

Analoge Nische, digitales Denken

Obwohl der Spielespatz ein analoges Geschäftsmodell bedient, denkt Ulmer in Systemen. Seine Ausbildung als Informatiker hilft ihm bei der internen Prozessoptimierung – vom Bestellwesen bis zur Lagerlogistik. „Das meiste läuft inzwischen automatisiert. Ich will die Zeit mit den Kundinnen und Kunden verbringen, nicht mit dem Papierkram“, erklärt er.

Zugleich ist er digital sichtbar: Auf Instagram und über Plattformen wie „hoher Spielwert“ macht er neue Spiele bekannt, beteiligt sich an bundesweiten Kampagnen kleiner Händler – und vernetzt sich mit Gleichgesinnten.

„Nur weil ich analog verkaufe, heißt das nicht, dass ich digital blind bin. Ich nutze die Tools – aber nicht, um Menschen zu ersetzen, sondern um ihnen mehr Zeit zu schenken.“

Markttrend: Rückkehr zum Haptischen

Was Ralph Ulmer tut, ist auch betriebswirtschaftlich relevant. Der Brettspielmarkt in Deutschland wuchs 2023 um rund 8 %, trotz stagnierender Konsumausgaben in anderen Bereichen. Gesellschaftsspiele gelten längst nicht mehr nur als Kinderkram – sie sind Lifestyle, Statussymbol und oft bewusst gewählte Auszeit vom Alltag.

Ulmer setzt hier gezielt an: Er spricht Eltern an, die ihre Kinder wieder „vom Bildschirm loslösen“ wollen. Paare, die eine Alternative zum Netflix-Abend suchen. Und Firmen, die Brettspiele als Teambuilding-Methode entdecken.

Fazit: Kein Unicorn. Aber nachhaltig.

Ralph Ulmer baut kein Tech-Unicorn. Er pitcht nicht auf Bühnen, er optimiert keine SaaS-Plattformen. Und trotzdem macht er genau das, was viele Führungskräfte heute predigen: Er bringt Menschen zusammen. Authentisch, lokal, wirtschaftlich solide.

Sein Geschäftsmodell basiert nicht auf Geschwindigkeit, sondern auf Verbindung. Auf Vertrauen. Und auf der Überzeugung, dass das nächste große Ding vielleicht kein digitaler Disruptor, sondern ein analoger Begegnungsraum ist – in einem kleinen Laden, mitten in Ulm.

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